Der erste September – meteorologischer Herbstbeginn.
Ja, man sieht und spürt, dass sich der Sommer verabschiedet hat. Ich hätte mich an ihn gewöhnt und würde gerne noch länger in meine Sommerfreuden eintauchen: von der Sonne geweckt werden, taulaufen, im See baden, mit kurzer Hose wandern und radeln, laue Abende im Freien genießen, Sommerfrüchte naschen und „vergolden“ (einkochen, usw.)…
Ich möchte nicht lamentieren, ganz im Gegenteil, denn was ist es doch für ein Glück, dass all dies meinen Sommer ausmacht!
Und trotz allem Positiven, das ich genießen durfte, da ich dort lebe, wo andere ihren Urlaub verbringen: Der Sommer 2020 wird in Erinnerung bleiben, war er doch von gewissen Einschränkungen geprägt, die wir bisher nicht kannten. Mir tun all jene leid, die heuer im Süden auf ihre Sommergäste gewartet haben und nun vor großen finanziellen Schwierigkeiten stehen, mir tun aber auch jene leid, die sich das ganze Jahr auf die gebuchten, erholsamen Wochen mit Familie, Freunden, einer Reisegruppe gefreut haben und heuer darauf verzichten mussten oder gezwungen waren, in Alternativen ihr Sommerglück zu suchen.
Es ist müßig, einen Sommerrückblick ganz unter das Zeichen Corona zu stellen. Jeder weiß Bescheid, jeder hat Folgen in verschiedenster Intensität erlebt und alle hoffen, dass dieser hinterhältige Winzling „Virus“ bald in seine Schranken gewiesen werden kann.
Dieser Sommer zeigt aber auch, dass eine gewisse Veränderung nicht in allem von Nachteil sein muss. Man beschränkte sich und entdeckte, dass andere Qualitäten im Vordergrund stehen. Die nähere Umgebung wurde erkundet, man nahm sich Zeit für Bücher, für Kochexperimente, für gesellige Familienzusammenkünfte. Man war zuhause.
2020 wird für mich im Rückblick der Sommer der Freundschaften sein. Es war die Gelegenheit, für Freunde da zu sein, lange Gespräche zu führen, Erinnerungen auszutauschen und Pläne zu schmieden. „Bleiben wir in Kontakt! Lassen wir bald wieder voneinander hören!“
Welche Form – nach dem persönlichen Treffen – kommt diesem ehrlichen Wunsch am meisten entgegen? Heute wird es wohl das Handy mit seinen Möglichkeiten sein. Um sich ganz und gar auf einen „Gesprächspartner“ einzustellen, eignet sich immer noch der nostalgische Brief, der heute kaum mehr geschrieben wird. Schade!
Einen Brief zu schreiben und Briefe zu lesen haben eine andere Qualität als ein Telefonat zu führen, Kurznachrichten zu versenden oder „Tätigkeitsberichte“ in Form von Bildern zu schicken. Ich möchte all dies keinesfalls missen! Ich freue mich über jedes Foto, das mich an einer außergewöhnlichen Naturstimmung teilhaben lässt, mich mitnimmt auf einen Berg, eine Alm, – es ist ein Stück Welt, das ich mit jedem Foto geschenkt bekomme.
Briefe haben einen anderen Sinn und Zweck. Sie sind wie ein Gespräch bei einem guten Glas Wein, von einer warmen Decke eingehüllt und ohne Zeitgefühl. Briefe führen in die Tiefe, sie verraten viel mehr von uns, und man wird mit Nähe und Vertrauen beschenkt.
Der Herbst könnte sich ohne Zweifel für das Briefeschreiben eignen.
Und als kleines Versprechen, was ich mir vornehme, denke ich an Sandra, die ausgezeichnete Fotografin, deren Besuch mich heuer sehr gefreut hat. Das Seerosen-Bild, das in jenen Tagen an „meinem“ Badesee entstanden ist, möge alle Leser grüßen!
Ach, übrigens: Heute ist der Welttag des Briefschreibens! Ich werde an Tiia in Estland schreiben…
Foto: Sandra Schönherr